Suche
Suche Menü

Buchtipp: In die Wildnis – Allein nach Alaska“ von Jon Krakauer

In die Wildnis Jon Krakauer ALLEIN NACH ALASKADie Res­o­nanz auf Jon Krakauers Artikel über den Tod des jun­gen Aben­teur­ers Christo­pher John­son McCan­d­less in einem Out­door-Mag­a­zin war kon­tro­vers: Einige Leser bracht­en dem Jun­gen für seinen Mut und die hehren Ide­ale, von denen er sich leit­en ließ, all ihre Bewun­derung ent­ge­gen; andere dage­gen wet­terten, dass er ein leichtsin­niger Idiot gewe­sen sei, ein Spin­ner, ein narzis­stis­ch­er Traumtänz­er, der auf­grund sein­er Dummheit und Arro­ganz umkam – und der die große Aufmerk­samkeit, die ihm in den Medi­en zuteil­wurde, nicht ver­di­ent hatte.“

Was war geschehen? Anfang der 90er Jahre trampte Chris McCan­d­less nach Alas­ka und zog im April alleine in die Wild­nis. Vier Monate später fan­den Elchjäger seinen stark ver­west­en Leich­nam in einem alten Bus. End­sta­tion ein­er lan­gen Wan­derung quer durch Nor­dameri­ka, auf der Suche nach unge­filterten Erfahrun­gen“. Zwei Jahre war er zuvor unter­wegs gewe­sen. Er hat­te sein Studi­um abgeschlossen, spendete seine gesamten Erspar­nisse, ließ sein Auto und fast sein ganzes Hab und Gut zurück und machte sich auf, um sein­er Exis­tenz als Men­sch auf den Grund zu gehen.

Chris McCan­d­less wollte her­aus­find­en, ob er in der Lage ist, aus eigen­er Kraft in der Natur zu über­leben. Für dieses Exper­i­ment akzep­tierte er nur min­i­mal­ste Hil­f­s­mit­tel: Ein Gewehr, 5 Kilo Reis, einen Schlaf­sack, etwas Klei­dung, eine Fotokam­era, einige Büch­er. Risiko bis zum Anschlag? Selb­stüber­schätzung? Ehrliche Selb­st­prü­fung ohne Hin­tertürchen? Fest ste­ht: Er hat­te den Tod aus­drück­lich kalkuliert. Aber er wollte defin­i­tiv nicht ster­ben.
Nach 2 Monat­en in der Wild­nis beschloss er, in die Zivil­i­sa­tion zurück­zukehren. Er scheit­erte dabei an der Natur. Der Fluss, der sich im April noch zuge­froren kinder­le­icht über­queren ließ, hat­te sich im Juni in ein 30 Meter bre­ites, reißen­des Wass­er ver­wan­delt. Die für den Rück­weg notwendi­ge Querung war zu dieser Zeit aus­geschlossen. Er kehrte zum Bus zurück und ver­hungerte dort schließlich.

An diesem Punkt liegt die eigentliche Tragik der Geschichte. Denn es hätte nicht so kom­men müssen. Chris hat­te keine Gelän­dekarte. Er hat­te ein­fach absichtlich keine mitgenom­men!! Hätte er eine gehabt, dann hätte er her­aus­find­en kön­nen, dass er keines­falls so fern jeglichen Lebens war, wie er dachte. Mit Karte würde er ver­mut­lich heute noch leben. Let­ztlich ver­hungerte er 30 Meilen – rund 50 Kilo­me­ter – von einem stark befahre­nen High­way ent­fer­nt. Und – was der ästhetis­che Wan­der­er der Wel­ten nicht wusste – im Radius von sechs Meilen um den Bus herum liegen vier Block­hüt­ten ver­streut.“, resümiert der Autor; auch wenn er die fehlende Karte nicht als den auss­chlaggeben­den Grund für das Scheit­ern sieht.

McCan­d­less Geschichte ist so wider­sprüch­lich wie die oben geschilderten Reak­tio­nen darauf. War er wirk­lich ein Traumtänz­er im Sinne von verträumt sein“? Oder war er ein­fach ein­er, der es wirk­lich wis­sen wollte? Immer­hin hat­te er schon 2 Jahre lang Erfahrun­gen gesam­melt, das ein oder andere riskante Unternehmen erfol­gre­ich über­lebt und sich auch in Alas­ka eine ganze Weile gut durchgeschla­gen. Sein Selb­stver­trauen war also nicht bar jed­er Grund­lage. Und im Grund sah er das Exper­i­ment ja auch real­is­tisch als been­det an. Ein Ide­al­ist mit einem Traum, bere­it, wenn es dann so sein musste, mit dem Leben für diese ele­mentare Erfahrung zu zahlen?

Der Wis­senschaft­sjour­nal­ist Jon Krakauer recher­chierte McCan­d­less Geschichte aus­führlich. Er berichtet von den Gesprächen mit Men­schen, die den jun­gen Mann unter­wegs getrof­fen hat­ten, mit sein­er Fam­i­lie, mit Alaska­ex­perten. Er beleuchtet Kind­heit und Jugend, wertet im Bus aufge­fun­dene Tage­buchaufze­ich­nun­gen, Foto­ma­te­r­i­al sowie angestrich­ene Pas­sagen in Büch­ern, die man bei der Leiche gefun­den hat­te, aus; reist selb­st an den Ort des Geschehens, wan­dert auf den Spuren des jun­gen Mannes, um sich ein möglichst real­is­tis­ches Bild von den Ereignis­sen machen zu können.

Seine Nach­forschun­gen fasste er in dem Buch In die Wild­nis – Allein nach Alas­ka“ detail­liert und aus unter­schiedlichen Per­spek­tiv­en betra­ch­t­end zusam­men. Er macht dabei kein Hehl daraus, dass ihm eine lei­den­schaft­slose Darstel­lung der Tragödie nicht möglich“ war. Das Buch ist also keine Bericht eines unvor­ein­genomme­nen Beobachters“. Krakauer selb­st hat in sein­er Jugend ähn­lich riskante Reisen und Wan­derun­gen unter­nom­men.
Diese Reportage ist zwar nicht partei­los, aber den­noch ehrlich, so mein Ein­druck. Der Autor hat seine Mei­n­ung, legt seine Argu­mente dar und entwick­elt seine The­o­rie für das tragis­che Ende dieser Geschichte. Aber: Jon Krakauer ver­her­rlicht die Tragödie nicht: Immer wieder höre ich von Leuten, dass sie Chris für das, was er zu tun ver­sucht hat, bewun­dern. Wenn er es über­lebt hätte, würde ich es auch so sehen. Aber er hat es nicht über­lebt, und nie­mand kann ihn wieder lebendig machen. Da lässt sich nichts mehr ändern. Die meis­ten Dinge lassen sich irgend­wie wieder richt­en, aber dies nicht.“

Warum macht ein­er so etwas? Kann man den über­haupt ern­st­nehmen? Bei aller Empathie für das Schick­sal des jun­gen Mannes, lässt Krakauer den Lesern die Chance, sich selb­st ein Bild über den Men­sch Chris McCan­d­less, die Ereignisse und Zusam­men­hänge zu machen. Diese bewusste Objek­tiv­ität macht das Buch so inter­es­sant. Größ­ten­teils habe ich mich – hof­fentlich erfol­gre­ich – bemüht, mich als Autor möglichst rauszuhal­ten.“, schreibt er in den Vorbemerkungen.

In die Wild­nis – allein nach Alas­ka“ ist eine span­nende Geschichte von einem ungewöhn­lichen Wan­der­er „…dessen in aller Unschuld began­gene Fehltritte sich als fatal und unumkehrbar her­ausstell­ten.“ Ich empfehle es allen, die sich für Natur, Selb­ster­fahrung und die Sehn­sucht nach dem Eigentlichen inter­essieren. Die bere­it sind, sich mit einem ver­meintlichen Traumtänz­er auseinan­derzuset­zen, um etwas über die wahren Hin­ter­gründe sein­er Unternehmung zu erfahren. Denn vielle­icht kann man von ihm etwas ler­nen. Über das Ver­hält­nis Men­sch und Natur, über uns Men­schen selb­st und unsere Gren­zen. Dann würde diese leichtsin­nige Wan­derung nachträglich doch Gewicht gewinnen.

Krakauer, Jon: In die Wild­nis – allein nach Alas­ka. Piper, 16. Auflage, 2012

Das Buch ist im Buch­han­del oder online auf der Ver­lags­seite erhältlich.

Heike Tharun

Autor:

Ich bin Heike Tharun. Unterwegs in den Mittelgebirge rund um meine Heimatstadt Mainz: Oberes Mittelrheintal, Nord-Pfälzer Bergland, Hunsrück, Taunus + in meiner zweiten Heimat: das Oberallgäu bei Oberstdorf, Bad Hindelang, Hinterstein. Ich bin leidenschaftliche Bergwanderin. Bergab-Floh und Bergauf-Schnecke. Ich kenne Höhenangst und weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, mit schmerzendem Knie abzusteigen. Bei Problemen gebe ich nicht gerne klein bei, vor allem wenn mir etwas wichtig ist. Seit 6 Jahren gebe ich als Sportmental-Coach mein Wissen und meine Erfahrungen in Bergmut-Seminaren und -Coachings weiter. Auf Heimatwandern.de zeige ich Dir, wie Du auch mit hohem Sicherheitsbedürfnis mit den Herausforderungen der Berge/der Natur heimisch wirst ohne den eigenen Rhythmus aus den Augen zu verlieren. Du lernst Dein Potenzial abzurufen und mit Selbstvertrauen und Zuversicht in Deinem Lieblingsgebirge unterwegs zu sein! Abonniere meinen Bergmut-Brief, verschenke einen Bergmut-Gutschein oder bestelle fürs kulinarische Gipfelglück unser Buch aus dem Land der 1000 Hügel.

Schreibe einen Kommentar

Pflichtfelder sind mit * markiert.