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Rhein über — Teil II

Siebenburgenblick.

Von Blätterteigschiefer, zittrigen Beinen und der Schwarzkopfschafalm

Gewit­ter ist ange­sagt. Es ist schwül. Egal. Wass­er, Apfel und Schirm in den Ruck­sack. Mittwochs auf Abwe­gen: Abfahrt nach Nieder­he­im­bach zur zweit­en Schleife der Rhein über”-Tour, die wir vor eini­gen Tagen nicht weit­er­laufen kon­nten. Höhe Bin­gen die ersten fet­ten Tropfen. Unverza­gt steuere ich mein Ziel an. Ich kenne mich ja jet­zt schon etwas aus in Nieder­he­im­bach und finde gle­ich einen Park­platz in der Straße Heim­bach­tal”.

Das Wegze­ichen ist schnell wieder gefun­den. Rechts die kleine Straße hoch, dann links rein ins Grüne. Alle Ziege heben die Köpfe als ich das Gat­ter öffne. Besuch mit­ten in der Woche. Über die Wei­de geht es steil hoch, ich schließe das Gat­ter hin­ter mir. Über mir braut sich was zusam­men, es don­nert ver­hal­ten in der Ferne. Es riecht nach Ziegen, nassen Wein­blät­tern, Gras. Dann blitzt doch die Sonne wieder durch. Ganz schön warm heute. Fotografiere zarte Mohn­blät­ter am Wegrand. Ein gewaltiges Rot.

Links unter mir die Häuschen von Nieder­he­im­bach. Hüb­sche sind dabei, nichts im Ver­gle­ich zu den des­o­lat­en, ver­lasse­nen Häusern unten direkt an der B9. Es geht hin­unter, durchs Dorf. Strecke kurz den Kopf bei der Schere” rein, wider Erwarten hat der Friseur gut zu tun und keine Zeit für spon­tane Kunden.

Weit­er über den plätsch­ern­den Heim­bach. Auf der anderen Seite des Tals hoch und weit­er durch die Neubausied­lung. Hier haben sich die Nieder­he­im­bach­er also zurück­ge­zo­gen. Kleine Pause auf ein­er Bank. Meine Hand wirft Schat­ten auf das weiße Papi­er meines Notizbuch­es. Platsch. Ein dick­er Wassertropfen klatscht vom Baum über mir auf die Seite, Farbe zer­läuft. Hun­dege­bell, ein Hahn kräht und weit­er geht es. Vor­bei an einem Schiefer­auf­bruch. Wie feine Schicht­en eines Blät­terteigs ste­hen die Stein­scheiben senkrecht im Hang. Ich rieche Fluss­wass­er. Der Rhein ist immer präsent hier. Ich erre­iche das näch­ste Seit­en­tal. Am Erschbach geht es entlang. 

Ich folge der Schleife in Rich­tung Burg Soo­neck. Auf dem Park­platz habe ich die Wahl: 5 Minuten zur Burg oder 45 Minuten zum Sieben­bur­gen­blick. Ich entschei­de mich, den Schleifen­weg zu ver­lassen, auf den Rhein­höhen­weg abzu­biegen und zum ange­sagten Aus­sicht­spunkt aufzusteigen. Plöt­zlich rechts und links des Weges ein Maro­nen­hain. Edelka­s­tanien­bäume so weit das Auge reicht. Muss ich mir für den Herb­st merken! Nach ein­er 3/4 Stunde steti­gen Auf­stiegs erre­iche ich den 10 Meter hohen Turm. Wass­er rin­nt mir das Gesicht und den Rück­en hin­unter. Ein heißer Tag. Das Üben auf dem Crosstrain­er in den let­zten Wochen macht sich aber bezahlt. In meinen Beinen ist gut Kraft. So, und nun da rauf. Jo. Ide­al für ein Anti-Höhenangst­train­ing. Tapfer steige ich die Treppe hoch. Jet­zt zit­tern sie, die eben noch kräfti­gen Beine. Wie soll man sich da klar machen, dass man sich­er ste­ht? Ich atme ruhig und gebe mir Zeit. Ich schaffe es bis nach ganz oben. Con­te­nance, meine Liebe, Contenance!

Was ist das denn für ein Lärm rechter Hand? Rechts ist kein Berg, rechts klafft eine riesige Wunde im Hang. Sieht aus wie eine Dia­man­ten­mine. Später recher­chiere ich. Hier wird quarzi­tis­che Grauwacke abge­baut. Der Ursprung des Tage­baus hier an dieser Stelle reicht bis in die Mitte des 17. Jahrhun­derts zurück. Das andere Mittelrheintal.

Über den Mar­tin­sp­fad mache ich mich auf den Rück­weg. Ist eine Abkürzung und wohl ein alter Tram­pelp­fad. Der schmale, aus­ge­set­zte Pfad ver­langt meine ganze Aufmerk­samkeit. Fuß für Fuß trägt mich mein Kör­p­er sich­er bergab. Unten entschei­de ich mich, nicht über den aus­geschilderten Weg zurück­zuge­hen. Auf dem Hin­weg hat­te ich rechter Hand einen Weg ent­deckt, der einen grü­nen, schat­ti­gen Gang ins Dorf ver­sprach (statt durchs Neubauge­bi­et). Kön­nte passen. Ich beiß” mir in den Hin­tern, wenn ich diesem inneren Impuls jet­zt nicht nachge­he. Also los. Meine Neugi­er wird belohnt. Abseits der Haup­trouten ent­decke ich einen Traump­fad durch den Wald, der auf eine Alm hin­aus­führt. Weite saftige Wiesen, wei­dende Schwarzkopf­schafe, Bauern­hof, Vogel­gezwitsch­er, leichte Hun­srück­brise, Grasweg. Ganz nach meinem Geschmack. Paradiese find­et man eben abseits der Hauptwege. Erken­nt­nis des Tages, wieder mal.

Kurz vor Nieder­he­im­bach frage ich dann doch eine junge Ein­heimis­che, die mit ihrem Bern­har­diner unter­wegs ist. Ja, nach Nieder­he­im­bach, da gehen Sie diesen Weg noch ein Stück nach unten. Dann kom­men rechter Hand zwei Graswege. Sie nehmen den zweit­en. Unten müsse se dann nur noch übber de Bach.” Stimmt. Im Leben nicht wäre ich auf diesen unschein­baren Grasweg abge­bo­gen. Den ken­nen sich­er nur die Ober­he­im­bach­er und die Nieder­he­im­bach­er. Schließlich laufe ich im Dorf ein. In der Schere” ist immer noch gut Kund­schaft. Völ­lig ver­schwitzt;  27 Grad warm ist es am Nach­mit­tag. Aus den 6 Kilo­me­tern der offiziellen Tour sind min­destens mal 12 bis 15 gewor­den. Für heute reicht es. 

Auf der Rück­fahrt bedenke ich das große Glück, das ich habe, mit­ten in der Woche auf Abwe­gen unter­wegs sein zu dürfen. 

Maronenbaumblätter

Maro­nen, oder Esskas­tanien, bracht­en die Römer aus dem Süden mit.

 

Von den Naturge­wal­ten über die Zeit in die Senkrechte geschoben­er Schiefer.

 

Schwarzkopf­schafalm ober­halb von Niederheimbach.

 

PS: Wanderungen für Ungeübte und Unerschrockene

Woch­enend-Touren (Män­ner + Frauen)
Wochen­tag-Tour (Frauen) 

 

 

Heike Tharun

Autor:

Ich bin Heike Tharun. Unterwegs in den Mittelgebirge rund um meine Heimatstadt Mainz: Oberes Mittelrheintal, Nord-Pfälzer Bergland, Hunsrück, Taunus + in meiner zweiten Heimat: das Oberallgäu bei Oberstdorf, Bad Hindelang, Hinterstein. Ich bin leidenschaftliche Bergwanderin. Bergab-Floh und Bergauf-Schnecke. Ich kenne Höhenangst und weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, mit schmerzendem Knie abzusteigen. Bei Problemen gebe ich nicht gerne klein bei, vor allem wenn mir etwas wichtig ist. Seit 6 Jahren gebe ich als Sportmental-Coach mein Wissen und meine Erfahrungen in Bergmut-Seminaren und -Coachings weiter. Auf Heimatwandern.de zeige ich Dir, wie Du auch mit hohem Sicherheitsbedürfnis mit den Herausforderungen der Berge/der Natur heimisch wirst ohne den eigenen Rhythmus aus den Augen zu verlieren. Du lernst Dein Potenzial abzurufen und mit Selbstvertrauen und Zuversicht in Deinem Lieblingsgebirge unterwegs zu sein! Abonniere meinen Bergmut-Brief, verschenke einen Bergmut-Gutschein oder bestelle fürs kulinarische Gipfelglück unser Buch aus dem Land der 1000 Hügel.

3 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Ganz tolle Wan­derbeschrei­bung, sie gefällt mir, weil du sehr per­sön­lich schreib­st. Es fällt mir leicht dabei zu sein und mitzuschwingen.
    Her­zlichen Dank für deinen Ein­trag bei mir, durch den ich zu dir gelan­gen konnte.
    Viele liebe Grüße
    Elke

    Antworten

  2. Liebe Heike,
    ein schön­er lebendi­ger Bericht. Gut, dass du die unbekan­nten Pfade pro­biert hast! Und wie immer echt schöne Fotos. Aber ich kann mir allein auf­grund dein­er Beschrei­bung gut vorstellen, was du gese­hen und erlebt hast und freue mich für dein Glück. :-)
    Das Buch Die Macht der Bewe­gung” habe ich ger­ade bestellt.
    Her­zliche Grüße
    von Katrin

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