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Buchtipp: Taschenatlas der Abgelegenen Inseln – Fünfzig Inseln auf denen ich nie war und niemals sein werde“ von Judith Schalansky

Buchcover "Taschenatlas der Abgelegenen Inseln"

Wenn der Globus rund­herum bereis­bar ist, beste­ht die eigentliche Her­aus­forderung darin, zu Hause zu bleiben und die Welt von dort aus zu entdecken.“

Sie ist ein Atlas-Kind, eine, die in Greif­swald mit Fin­ger­reisen auf Weltkarten oder bess­er Erd­karten“ aufgewach­sen ist. Judith Scha­lan­sky, Schrift­stel­lerin, Typographin und frisch gekürte Mainz­er Stadtschreiberin 2014. Als ich in der Pressemit­teilung von Ihrem Buch Atlas der abgele­ge­nen Insel — Fün­fzig Inseln auf denen ich nie war und niemals sein werde“ gele­sen habe, war ich als lei­den­schaftliche Land­karten­lieb­haberin natür­lich sofort elek­trisiert. Auch eine mit Sehn­sucht, Neugierde und Ent­deck­ergeist? Ich habe mir die Taschen­buchaus­gabe sofort besorgt. Alleine das Vor­wort ist Genug­tu­ung, mehr sage ich nicht, lesen Sie selbst! ;-)

Ange­zo­gen von den ver­heißungsvollen Namen der winzi­gen, abgele­ge­nen Fleck­en Land auf dem mannshohen Globus im Karten­le­sesaal der Berlin­er Staats­bib­lio­thek“ und ernüchtert von der Tat­sache, dass diese geo­graphisch (lei­der) schon ent­deckt sind, fasst sie einen außergewöhn­lichen Entschluss: Mir blieb nur übrig, meine Ent­deck­un­gen in der Bib­lio­thek zu machen, angetrieben von dem Wun­sch, in sel­te­nen Karten­werken und entle­gen­er Forschungslit­er­atur meine Insel zu find­en, die ich nicht mit kolo­nial­is­tis­chem Eifer, son­dern mit mein­er Sehn­sucht in Besitz nehmen wollte.“

Ent­standen ist ein poet­is­ches, lit­er­arisches und gestal­ter­isches Klein­od. Zu ihrem Vorge­hen fällt mir der Begriff tradieren“ ein. Weit­ergeben, weit­er­erzählen. Sie erzählt die Texte und Bilder, die sie in der Bib­lio­thek — dem Büch­er­schiff“ — über die fün­fzig Inseln find­et, in ihrem Atlas weit­er: Von Tris­tan da Cun­ha bis zum Clip­per­ton-Atoll, von der Wei­h­nachts- bis zur Osterin­sel. Ihre Fund­stücke holt die lit­er­arische Ent­deck­erin in ihrer Sprache in die Gegen­wart: Ich habe nichts erfun­den. Aber ich habe alles gefun­den, diese Geschicht­en ent­deckt und sie mir so zu eigen gemacht wie die Seefahrer das von ihnen ent­deck­te Land. Alle Texte in diesem Buch sind recher­chiert, jedes Detail aus Quellen geschöpft.“

Der Atlas beschreibt jede Insel auf vier Seit­en. Die Typographin wid­met den geo­graphis­chen und kar­tographis­chen Dat­en zwei Seit­en: Sys­tem­a­tisch gelis­tet wer­den Gewäss­er, Name, Koor­di­nat­en, Größe, Besied­lung, Ent­fer­nun­gen zum Fes­t­land und Nach­barin­seln, Ent­deck­er und entschei­dende Ereignisse. Dazu hat sie die Insel geze­ich­net. Jede bekommt für sich eine Seite allein: Strände, Berge, Hügel, Ebe­nen, Täler in Grauschat­tierun­gen, Infra­struk­tur, wie Straßen und Orte in Orange. Alles auf dem blauem Grund ein­er der fünf Ozeane dieser Erde: Ark­tis­ch­er, paz­i­fis­ch­er, antark­tis­ch­er, indis­ch­er und atlantis­ch­er Ozean.

Der Betra­chter sieht kleine und größere Kleckse, ein Stückchen Sand“, Vulka­n­spitzen, Fleck­en in Form von Quallen, Hefeteigen, Sch­neck­en, Bohnen. eine aus der Rei­he tanzende Per­le“, manche so klein dass eine Wolke genügt, um sie zu verdeck­en“ und andere auf denen die Erde mit sich selb­st redet“. Der Anblick der Mini-Land­karten weckt Sehn­sucht. Wahre Enthu­si­as­ten kön­nen gar nicht anders als Lust zu ver­spüren loszuziehen, dem Fluss bis zum See ins Lan­desin­nere zu fol­gen, die Land­schaft ent­lang eines Grates zu erkun­den oder das Atoll am Meer ent­lang zu umrunden.

Die Funde aus his­torischen Bericht­en älteren und jün­geren Datums, Pio­nier­tat­en, ökol­o­gis­che Dra­men, Expe­di­tions­berichte, Tage­buchaufze­ich­nun­gen von Ama­teur­funkern, Forscher­lit­er­atur, Doku­men­ta­tio­nen kolo­nialer Eroberun­gen und Erdgeschicht­en verdichtet die Schrift­stel­lerin auf weit­eren zwei Seit­en zu kurzen, präg­nan­ten und aus­drucksstarken textlichen Kunst­werken. Kühne Inter­pre­ta­tio­nen“, knappe Zusam­men­fas­sun­gen der Tat­sachen, Wider­sprüch­lichkeit­en ohne Wer­tung aber mit unter­gründi­ger Ironie auf den Punkt brin­gend: Die anderen Her­ren erspähen den ersehn­ten Tordalk unter aber­tausend Lum­men. Schüsse krachen, und ein Exem­plar mit vollem Pracht­ge­fieder stürzt tot auf die Wasser­fläche. Der Beweis ist erbracht, sein Vorkom­men auf der Bärenin­sel belegt.“

Diesen Taschen­at­las empfehle ich Men­schen, die Karten­bilder lieben, denen das Herz warm wird und die sofort das Bedürf­nis ver­spüren, ihren alten Dier­cke Schu­lat­las her­aus zu kra­men, bei Sätzen wie diesen: In den physis­chen Topografien kön­nen die Land­massen vom tiefebe­nen Dunkel­grün bis zum hochge­bir­gi­gen Rot­braun oder polaren Gletscher­weiß leucht­en und die Meere in allen Blautö­nen erstrahlen – erhaben über den Lauf der Geschichte.“

Leute, die Spaß haben an klar­er, ehrlich­er Sprache. Die neugierig sind auf neue Ansicht­en, und die Autoren mögen, die die Dinge beim Namen nen­nen ohne Sub­jek­tives als Objek­tives zu verkaufen: Die Welt auf einen Blick sicht­bar machen zu wollen, wirft Prob­leme auf, die nicht befriedi­gend zu lösen sind. Alle Pro­jek­tio­nen stellen die Welt verz­er­rt dar.“

Die Ent­deck­erin Judith Scha­lan­sky rel­a­tiviert Dimen­sio­nen, zeigt uns die Erde aus dem Blick­winkel ein­er Wis­senschaft­lerin und Poet­in: Kon­ti­nente sind nur große Inseln. Weltkarten müssten eigentlich Erd­karten heißen, denn es heißt ja auch nicht Weltkunde“. Und: Inseln sind der per­fek­te Hand­lung­sort für schreck­liche Begeben­heit­en: Während die Absur­dität der Wirk­lichkeit sich in der rel­a­tivieren­den Weite der großen Land­massen ver­liert, liegt sie hier offen zutage. Die Insel ist ein the­atraler Raum: Alles was hier geschieht, verdichtet sich beina­he zwangsläu­fig zu Geschicht­en, zu Kam­mer­spie­len im Nir­gend­wo, zum lit­er­arischen Stoff.“ Diese Sicht der Dinge ist auch eine Pro­jek­tion. Aber eine ehrliche, span­nende, wie ich finde. Sie dik­tiert keine Sichtweise, son­dern lässt jedem Leser Möglichkeit­en offen, mit diesem Atlas auf 239 Seit­en die Insel­wel­ten auf seine Art und Weise zu entdecken.

Ein Atlas der Sehn­süchte! Eine Kost­barkeit!“ resümiert der Ver­lag auf dem Buchcover.

Wie Judith Scha­lan­sky ziehe ich einen Atlas … jedem Reise­führer vor”. Und Sie?

Scha­lan­sky, Judith: Taschen­at­las der Abgele­ge­nen Inseln – Fün­fzig Inseln auf denen ich nie war und niemals sein werde“, Fis­ch­er Taschen­buch Ver­lag, mare, 4. Auflage, März 2013, 14,99 Euro. Das Taschen­buch erhal­ten Sie in Ihrer Buch­hand­lung vor Ort oder online auf der Web­site des Ver­lages:

 

 

Heike Tharun

Autor:

Ich bin Heike Tharun. Unterwegs in den Mittelgebirge rund um meine Heimatstadt Mainz: Oberes Mittelrheintal, Nord-Pfälzer Bergland, Hunsrück, Taunus + in meiner zweiten Heimat: das Oberallgäu bei Oberstdorf, Bad Hindelang, Hinterstein. Ich bin leidenschaftliche Bergwanderin. Bergab-Floh und Bergauf-Schnecke. Ich kenne Höhenangst und weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, mit schmerzendem Knie abzusteigen. Bei Problemen gebe ich nicht gerne klein bei, vor allem wenn mir etwas wichtig ist. Seit 6 Jahren gebe ich als Sportmental-Coach mein Wissen und meine Erfahrungen in Bergmut-Seminaren und -Coachings weiter. Auf Heimatwandern.de zeige ich Dir, wie Du auch mit hohem Sicherheitsbedürfnis mit den Herausforderungen der Berge/der Natur heimisch wirst ohne den eigenen Rhythmus aus den Augen zu verlieren. Du lernst Dein Potenzial abzurufen und mit Selbstvertrauen und Zuversicht in Deinem Lieblingsgebirge unterwegs zu sein! Abonniere meinen Bergmut-Brief, verschenke einen Bergmut-Gutschein oder bestelle fürs kulinarische Gipfelglück unser Buch aus dem Land der 1000 Hügel.

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