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Heiße Kartoffel in Kreershäuschen

Weinblatt mit violetter Blüte

Der Vater liebte wohl den Schnee. Auf einem Schlit­ten sitzend, sieht sie ihn vor sich, wie er durchs Weiß stapft. Hier. Im Soon­wald. In Kreer­shäuschen. Vor 50 Jahren? Ja, so muss es gewe­sen sein.

Noch 4 Tage bis Juli. Wir gehen auf einem Forstweg. In der Nacht hat es gereg­net. Jet­zt reißt der Him­mel auf. Wir wollen zum Eller­spring. Der höch­ste Punkt unser­er Wan­derung. Der Anstieg beträgt rund 200 Höhen­meter. Wir bleiben ste­hen. Ich ziehe die Regen­jacke aus.

Es geht ums Ster­ben. Um den Tod. Wie eine heiße Kartof­fel, die gegessen wer­den muss. Früher oder später. Der Weg führt durchs Unter­holz. Wird zum Pfad. Was war das? Mach’ Dir keine Sor­gen. Läuf­st du hier auch alleine? Erzäh­le eine wahre Hor­rorgeschichte, die einige Tage vorher in der Stadt passiert ist. Die Wahrschein­lichkeit mit­ten in der Zivil­i­sa­tion über­fall­en zu wer­den ist mein­er Ein­schätzung nach höher als hier im Wald. Später müssen wir runter vom Soon­wald­steig. Falte die aus­ge­druck­te Karte zusammen.

Glaub­st Du, Du wirst alt? Ja, ich glaube, ich werde alt! Da vorne ist die Straße. Ok, dann müssen wir jet­zt links rein. Am Ort­sein­gang hören wir jäm­mer­lich­es Schreien. Der Hund hin­term Tor. Eine große Wunde am Hals. Auf der andere Straßen­seite schnauben Pferde. Men­schen sehen wir in Kreer­shäuschen nicht. Die Gast­wirtschaft da vorne, die ken­nen ich noch von früher. Erin­nert sie sich. Haben Sie gese­hen, die Außen­beleuch­tung bren­nt. Die Bedi­enung seufzt. Die Chefin will es so. Da kann sie nichts machen.

Bei Kreer­shäuschen entspringt der Eller­bach. Gute 15 Kilo­me­ter Luftlin­ie weit­er unten habe ich ihn über­quert. Bei Wein­sheim. Vor zwei Jahren? Glaube ich. Die Brücke war ges­per­rt. War auf dem Weg von Wall­hausen nach Norheim. Der Eller­bach ist bei Wein­sheim bre­it. Zu bre­it. Hat­te keine Lust bis zum reg­ulären Über­gang zu gehen.

Später sitze ich alleine auf ein­er Mauer der Kauzen­burg. Unter mir die Kirchtürme von Bad Kreuz­nach. Im Osten öffnet sich die Land­schaft. Blick bis in den Taunus. Laufe an der Hangkante ent­lang in den Wingert. Unten die Nahe. Drüben die Osthänge des Roten­fels. Die fall­en flach und grün ab. Nach West­en hin bildet er mit 202 Metern Wand­höhe und 1200 Metern Länge die höch­ste Steil­wand nördlich der Alpen. Eine neue Route entste­ht in meinem Kopf.

Wo werde ich in 50 Jahren sein? Ich gehe davon aus, dass die Land­schaft sich kaum verän­dert haben wird. Rechter Hand erste Felsen der Nordp­falz. Nach Süden die Hubbel der Rhein­hes­sis­chen Schweiz. Komis­ches Gefühl. Die Welt dreht sich weit­er. Du darf­st ein Weilchen mit­fahren. Dabei sein. Dich mit­drehen. Dann rotiert sie mit neuen Menschen.

Denke an die Alten, die mor­gens auf Stöcke gestützt, ein Schritt vor den anderen set­zend den Weg vom Hotel zur Straße gin­gen. Die geben nicht auf, habe ich gedacht. Im Cor­sa neben mir sitzen zwei Män­ner mit sehr jun­gen Gesichtern. Die Scheiben runter. Autora­dio aufge­dreht. Das sind die Neuen.

Am Ende dieses Tages ist die Kartof­fel hand­warm. Das Unver­mei­dliche. Ich kann es eine Weile hal­ten. Betra­cht­en. Immer mal wieder. Eine Sache der Übung! ;-)

Kauzenberg

Das Blau der Therme macht sich gut mit dem Grün an den Rebstöcken.

Kauzenberg

So sieht für mich Som­mer aus.

Heike Tharun

Autor:

Ich bin Heike Tharun. Unterwegs in den Mittelgebirge rund um meine Heimatstadt Mainz: Oberes Mittelrheintal, Nord-Pfälzer Bergland, Hunsrück, Taunus + in meiner zweiten Heimat: das Oberallgäu bei Oberstdorf, Bad Hindelang, Hinterstein. Ich bin leidenschaftliche Bergwanderin. Bergab-Floh und Bergauf-Schnecke. Ich kenne Höhenangst und weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, mit schmerzendem Knie abzusteigen. Bei Problemen gebe ich nicht gerne klein bei, vor allem wenn mir etwas wichtig ist. Seit 6 Jahren gebe ich als Sportmental-Coach mein Wissen und meine Erfahrungen in Bergmut-Seminaren und -Coachings weiter. Auf Heimatwandern.de zeige ich Dir, wie Du auch mit hohem Sicherheitsbedürfnis mit den Herausforderungen der Berge/der Natur heimisch wirst ohne den eigenen Rhythmus aus den Augen zu verlieren. Du lernst Dein Potenzial abzurufen und mit Selbstvertrauen und Zuversicht in Deinem Lieblingsgebirge unterwegs zu sein! Abonniere meinen Bergmut-Brief, verschenke einen Bergmut-Gutschein oder bestelle fürs kulinarische Gipfelglück unser Buch aus dem Land der 1000 Hügel.

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